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Cross Europameisterschaften Lissabon 2019

Nach meinem tollen Rennen in Darmstadt habe ich mich riesig über die Qualifikation für die Cross EM gefreut. Freude und Respekt vor der Herausforderung, sich mit Profi Läuferinnen aus ganz Europa zu messen. Dies auf einem Gelände, welches seit langer Zeit das erste Mal wieder richtig Cross würdig war, galt es doch Runde für Runde eine Anhöhe, gespickt mit Unebenheiten, auf und ab zu rennen und dabei jeweils ungefähr 30 Höhenmeter zu überwinden. «Leiden», das musste man auf dieser Strecke wegstecken können!

Insgesamt war es ein tolles Erlebnis, den Anlass zusammen mit den anderen Läuferinnen und Läufern des Schweizer Teams zu erleben. Über meine Leistung im Rennen konnte ich mich dann aber etwas weniger freuen. Wir alle wussten, dass die Strecke über 8.225 Kilometer alles von uns fordern würde und genügend Zeit bleibt, um seinen Platz im Feld zu finden. Doch war ich an diesem Tag mental nicht auf der Höhe, um an meine bestmögliche Leistung heranzukommen.

Seit dem ersten Qualifikationslauf in Regensdorf, 4 Wochen vor der Cross EM, plagten mich Fussschmerzen. Je näher die Cross EM kam, setzte ich immer mehr auf Alternativtrainings anstelle der üblichen Laufeinheiten, um die Entzündung im Fuss nicht noch weiter voranzutreiben. Das positive war, das ich die Schmerzen bei intensiven Einheiten meist weniger spürte als im Alltag oder bei Dauerläufen. Dies war auch ein Grund, warum ich trotzdem unbedingt mit an der EM dabei sein wollte.

Die Nervosität vor dem Start war definitiv höher als bei anderen Rennen. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, den Wettkampf zu geniessen, da ich nichts zu verlieren hatte. Schliesslich konnte ich mit der Teilnahme schon ein Ziel abhaken. Doch gleichzeitig wollte ich doch, dass sich der Effort, den ich ins Training gesteckt hatte, zeigte und ich eine bestmögliche Leistung abrufen konnte. Innerlich war es wohl die Ungewissheit, was die anspruchsvolle Strecke für meinen Fuss und somit das Laufen während und nach der EM bedeuten würde, welch mich unruhig machte.

Während meiner Zeit in Amerika hatte ich zwei Verletzungen, die ich im Rennen noch wegstecken konnte, aber danach so ans Limit kam, dass ich länger nicht mehr trainieren konnte. Die Angst, ein Déjà-vu zu erleben, nagte an meinem Selbstvertrauen. Um dem entgegenzuwirken, startete ich dann wohl etwas zu motiviert ins Rennen. Das Laufen bergauf machte mir dann mehr zu schaffen, als ich vorab gedacht hatte. So hoffe ich, nach der Anhöhe in der Abwärtspartie mich wieder etwas erholen zu können, doch das war leider weit gefehlt. Die Strecke gewährte keine einzige Verschnaufpause und so war ich bereits nach einem Viertel der Strecke gefühlt am Ende meiner Kräfte. Die restlichen 6 Kilometer waren definitiv die längsten und härtesten, die ich je erlebt habe.

In solchen Momenten wäre es wichtig, mental stark zu sein, um sich aus diesem Loch wieder zu befreien. Leider war genau das Gegenteil der Fall. Ich hatte plötzlich das Gefühl, am Ende des Feldes zu sein, was mir zusätzlich noch ein schlechteres Gefühl gab. So meldeten sich auch meine Zweifel wieder, würde ich plötzlich Schmerzen im Fuss verspüren, würde ich danach wieder lange verletzt sein, und so weiter. Die Konsequenz davon war, dass ich ans Aufgeben gedacht habe. Dies war definitiv ein fataler Gedanke und alles andere als hilfreich, um die restlichen Kilometer zu überstehen.

Das einzige, was mich noch davon abhielt, das Leiden auf einen Schlag zu beenden, war die Teamwertung. So versuchte ich mich weiterhin durchzuraffen, wenn nicht für mich, dann für das Team! Der Fakt, dass eine Runde später meine Teamkollegin aufgegeben hatte und die Teamwertung somit ausser Frage, war nicht gerade das Argument, dass ich suchte, um mich weiter im Rennen zu halten. Keine Ahnung wie, aber ich schaffte es tatsächlich, den kleinen Teufel in mir nicht die überhand bekommen zu lassen und so konnte ich mich davor bewahren, das erste Mal in meiner Karriere ein Rennen aufzugeben. Eine gefühlte, lückenerfüllte Ewigkeit später, in der ich das letzte Körnchen in mir suchte, um mich in der Abwärtspartie auf den Beinen zu halten, war ich endlich im Ziel – erleichtert und enttäuscht zugleich.

Heute sehe ich den Wettkampf etwas anders. Dieses Rennen hat mich viel gelehrt und mir meine grössten Schwächen aufgezeigt. Ich weiss, dass ich an meiner mentalen Stärke arbeiten und mir Techniken aneignen muss, die den Gedanken ans Aufgeben in weite Ferne rücken lassen. Zudem muss ich vor einem Rennen, in welches ich angeschlagen starte, die möglichen Konsequenzen akzeptieren und während dem Rennen darf mich das nicht mehr kümmern.

Rang 46 von 59 gestarteten Läuferinnen, ist sicher nicht das was ich mir erhofft hatte, aber «on the bright side» konnte ich trotz allem wiederstehen, den leichten Weg zu gehen und aufzugeben!  Nächstes Mal werde ich es besser machen.

Schweizer Team an der Cross-EM in Lissabon
(Photo: Swiss Athletics)